Bevor es für uns endgültig auf das europäische Festland zurückging, verbrachten wir (zur „Eingewöhnung“) zwei Wochen auf der Insel Curacao. Sie liegt in der südlichen Karibik und zählt zu den niederländischen Antillen. Eigentlich wollten wir nach Kuba, was aber auf Grund der Visa-Bestimmungen (wir hätten dazu zuerst nach Deutschland gemusst), nicht ohne weiteres möglich war. Die Zeit auf Curacao wurde dann aber dann das, wie wir uns das vorgestellt hatten: Ein ruhiges, sehr überschaubares Eiland, außerhalb der Saison, wo man eigentlich nur eines wirklich gut kann: Am Strand liegen, im warmen Meer schnorcheln, die Seele baumeln lassen und vor allem die Fahrradbeine hochlegen. Nicht zu übersehen ist hier der starke europäische/niederländische Einfluss, z.B. im (sehr teuren) Supermarkt der Maasdamer-Käse, der Feiertag wegen Königshausverehrung und nicht zuletzt auch das UNESCO-Weltkulturerbe in Form der der alten und schön bunten Hafenstadt. Als wir die Insel etwas abgefahren hatten, waren wir erstaunt, wie extrem trocken und karg das hier ist – der totale Kontrast zum sattgrünen und feuchten Costa Rica, obwohl Curacao fast auf dem gleichen Breitengrad liegt. Natürliches Süßwasser gibt es auf der Insel praktisch nicht (es regnet auch fast nie, maximal kurze Schauer) und sobald nicht bewässert wird, wird ein trocken-steiniges Ödland daraus. Das Wasser aus der Leitung ist, super schmeckendes, entsalztes Meerwasser – keine Ahnung wie früher die Menschen hier überlebt haben können. Die Tierwelt minimiert sich daher auf Land auf paar Echsen und Vögel, im Wasser hingegen sieht die Sache anders aus: Es wimmelte nur so von Fischen in allen Farben und Formen. Wir sahen beim Schnorcheln auch einen giftigen Feuerfisch (eindrucksvoll!), wo wir erst später erfuhren, dass man den melden sollte, weil er eingeschleppt ist, keine Feinde hat und die heimischen Fischstände hemmungslos dezimiert. Wegen dem immenwährenden Passat-Windes war die Hitze (jeden Tag +/- 30 °C und das das ganze Jahr über) gut auszuhalten, und nochmal so richtige Sonne und Wärme tanken tat richtig gut!
Unseren ersten Fuß auf das europäische Festland setzten wir am Flughafen Amsterdam mit fast 2h Verspätung, und wirklich Willkommen fühlten wir uns nicht, als es hieß, dass der Checkin für unseren Anschlussflug nach Porto schon geschlossen sei – Flug und Geld weg. Bisher hatten wir immer Glück mit unseren (Billig-Airline) Flügen, bei unserem allerletzten Flug wegen getrennten Buchungen sah es dann anders aus. Für viel zu viel Geld kauften wir dann ein neues Ticket für den nächsten Flieger am nächsten Morgen, und verbrachten die Nacht auf unbequemen Sitzen im Flughafen (Hotels waren für unter 100 € nicht zu bekommen wegen Urlaubsbeginn in Holland). Aber das war es uns mehr als Wert, auf keinen Fall wollten wir zu schnell zurück nach Deutschland – ein langsames nach Hause radeln war uns viel zu wichtig, um der Reise das Ende zu geben, wie wir uns das schon lange vorgestellt hatten.
Nach dem geht-so Empfang in Amsterdam wurde es ab Porto, im Vergleich, perfekt. Bei traumhaften Wetter radelten wir direkt vom Flughafen auf kleinen, verkehrsarmen Straßen die Atlantikküste nach Norden. WOW, Europa bist du schön! Und … auch wenn es sich vielleicht komisch anhört … Europa, wie reich, sicher, sauber, günstig und extrem einfach zu bereisen bist du denn!? Aber das war unser Eindruck, und nicht nur wegen den Monaten in Südamerika geprägt. Würde wohl auch so einigen Leuten guttun, Europa mal für einige Zeit zu verlassen, um zu merken, wie privilegiert man hier eigentlich lebt. So vieles, für Einheimische eigentlich Alltägliches, fiel uns richtig positiv auf: Mit allem erdenklichen vollgestopfte und zugleich überaus günstige Supermärkte, wo wir im Ersten erstmal eine halbe Stunde lang die Gänge abliefen und irgendwie überfordert waren, was wir denn jetzt überhaupt kaufen sollten. Und da wir totale Genussmenschen sind kamen wir gar nicht mehr aus dem Schwärmen heraus, als wir z.B. den ersten Käse aßen, der auch seinen Namen wirklich verdiente. Saubere Straßen, kein Müll an vielen Ecken, keine gestörten Straßenköter, tolle historische Gebäude, Kultur, gepflegte Häuser und Anlagen war unser erster Eindruck von Portugal, wo wir in nur paar Tagen rausfuhren und Spanien erreichten.
Hier war unser erstes Ziel die Stadt Santiago de Compostella, und dem Ende der (vielen) Jakobswege für die über 200.000 Pilger pro Jahr. Entsprechend kann man sich die Kommerzialisierung vorstellen. Für uns war der Jakobsweg nur der Mittel zum Zweck, da erstens die verbundene Infrastruktur perfekt (die meisten Pilger laufen 20-30 km am Tag) ausgebaut ist, und die Strecke nach Osten mit vielen historischen Sehenswürdigkeiten gespickt ist. Spanien verbindet man ja gemeinhin mit heißem und trockenen Badewetter – weit gefehlt zu der Jahreszeit und vor allem unserer Route in Nordspanien. So häufig nass wie hier in den ersten 2 Wochen wurden wir noch nirgends in den letzten 1,5 Jahren. Gefroren haben wir auf Pässen (bis über 1500 m. ü. M.) bei kaum über 0 °C und viel Wind.
Das regnerische Tiefdruckwetter hatte dann aber auch ein Ende, und wir fuhren durch sattgrüne Äcker und Wiesen, die Natur explodierte im sommerlichen Sonnenschein und genossen die Ruhe auf den vielen kleinen Straßen. Europa ist schon hier ein Fahrradparadies im Vergleich zu allen besuchten Kontinenten – selbst wenn kein Fahrradweg existiert bieten die vielen kleinen (bestens geteerten!) Nebenstraßen alles was man braucht. Apropos brauchen: Wir genossen es jeden Tag, dass man alle paar Kilometer bestes Trinkwasser und einen Supermarkt findet – die Schlepperei von Lebensmitteln und Trinkwasser für x-Tage ist damit endgültig passee.
Auf dem Weg nach Frankreich nahmen wir den Pyrenäen-Pass „Col du Pourtalet“ bei perfekten Wetter mit, auf 1794 m. ü. M. hieß es dann schon nicht mehr Hola Europa, sondern Bonjour Europe!
Lange Zeit war ich nur ein stiller Zuschauer auf Eurer sensationellen Reise. Die Befürchtung, wie schwierig es wohl sein wird, anschließend wieder in’s normale Leben (über die Definition von normalem Leben lässt sich natürlich auch ohne Ende diskutieren) zurückzufinden, habt ihr mir mit Eurem Gefühl, dass es nun doch zunehmend Wiederholungen und weniger faszinierende Steigerungen gibt, überzeugend genommen.
Aber an Eurer neu entflammten Europabegeisterung (geografisch mal auf Jeden Fall) sollten sich wirklich viele hier eine dicke Scheibe abschneiden!!! “Und wenn es keinen Grund zum Jammern gibt, dann suchen wir eben Einen”
Ich denke, im Gegensatz zu Geburtstagen kann schon mal vorab zum schönen Finale gratulieren. Beim Blick auf Eure Route sieht es fast danach aus, als wolltet Ihr den Puy de Dome vielleicht auch noch mitnehmen? Also bei der passenden Wetterlage, lässt sich der Eindruck, dass es auch “Zuhause” richtig schön sein kann, richtig gut verstärken.
Bonne Route!