Jahrestag unserer Reise in Costa Rica! Wir blicken auf ein Jahr mit einer unglaublich geballten Ladung Leben zurück. So komprimiert wie wohl nie – im normalen Leben – prasselte Neues auf uns ein, standen wir vor ungeahnten Herausforderungen, erlebten kleine und größere Abenteuer, kamen wir an unsere Grenzen und schoben sie erweiternd vor uns her, bekamen wir die Herzlichkeit von Mitmenschen zu spüren und haben uns das wohl Wichtigste bewahrt: Unbändige Neugierde und Offenheit für Neues gepaart mit dem entsprechenden Willen. Das Abenteuer hat uns gerufen und wir sind gefolgt.
Eine schöne Definition von Abenteuer gibt es von Rüdiger Nehberg: Abenteuer ist das unwiederbringliche Erlebnis auf eigene Faust. Es hängt nicht ab vom Alter, Geschlecht, Geldbeutel oder von der Kondition. Man kann es gratis erleben. Es ist eine Mischung aus Planung und Zufall, Vorbereitung und Training, Neugier und Fantasie, Persönlichkeitserfahrung und Grenzerweiterung, Bereitschaft zum Risiko und Bestehen gegen Naturgewalten, Rückbesinnung auf vergangene Lebensformen und Studium gegenwärtiger fremder Lebensweisen. Es wird zur unauslöschlichen Erfüllung bei Ausrichtung auf ein sinnvolles Ziel.
Das Jahr kommt uns, je nachdem wie wir es sehen, kurz und lang gleichzeitig vor. Kurz wenn wir im hier und jetzt denken, für uns ist die tagtägliche Veränderung zum Alltag geworden, wir schauen normalerweise immer nur nach vorne. Lassen wir hingegen die Gedanken etwas in die Vergangenheit schweifen, fallen uns spontan so viele wunderbare Situationen und Erlebnisse ein, dass klar ist, wir müssen auf Grund der schieren Menge schon ganz schön lange unterwegs sein. Die fast 17.000 Kilometer in Neuseeland, Australien und Nordamerika haben ihre Spuren hinterlassen – bei uns zu 99,99% im positiven Sinne, und das in jeglicher Hinsicht. Welch ein Privileg dessen wir uns sehr bewusst sind.
Wir hatten neben dem Quäntchen Glück, was unabdingbar bei so langer Reisezeit ist, auch den eisernen Willen bzw. die psychische Stärke unseren Weg immer weiter fortzusetzen zu wollen. Dies ist vor allem eine Typ-/Charakter-Frage. Wir haben mittlerweile so einige Tourenfahrer getroffen, mehr als ¾ hat ihr ursprüngliches Ziel nicht erreicht bzw. lange davor aufgegeben. Aufgeben ist hier nicht negativ behaftet zusehen, sondern als ein Eingeständnis von falscher Einschätzung der eigenen physischen/psychischen Konstitution, verbunden mit teilweise unrealistischen Zielen und mangelhafter Vorbereitung. Wer denkt so eine Fahrradreise sei frei schon schwierigen Momenten, es sei immer entspannt und easy-peasy der täuscht sich – mehr oder weniger schnell – garantiert. Uns war von vorne rein sehr bewusst was auch auf uns wartet, die Erfahrungen (mehrfache Deutschlanddurchquerungen, Stephans Neuseeland-Trip 2013) halfen natürlich, um „richtig“ zu starten und die Balance zu finden. Bewusst hatten wir immer nur Fixpunkte in Form von Weiterflügen gesetzt, sozusagen als Meilenstein eines (Teil-)Projektes. So hatten wir immer mehrere Monate die freie Wahl bzgl. der Route, Schlenkern, Ruhetagen und dem für uns so Wertvollen: Spontanität und Zeit was zusammen das gibt, was im deutschen Alltag nur schwer zu bekommen ist, nämlich eine sehr große Freiheit. Wir entscheiden tagtäglich neu wo wir bleiben wollen, wo wir übernachten, wo wir wie fahren, mit welchen Menschen wir unsere Zeit teilen wollen usw.
Nicht nur wegen diesen alltäglichen Entscheidungen wird eine Beziehung während solch einer Reise unter Prüfungen gestellt, die es zu Hause fast nicht geben kann. Oder wer war schon mal mit seinem Partner ein Jahr lang rund um die Uhr zusammen? Zudem kommen noch die (bis dato) unbekannten Grenzerfahrungen, die zwangsläufig ein Bestandteil sind – und die wenigsten Leute kennen sich selbst so gut, dass sie in jeder Extremsituation wissen, wie sie dann reagieren/handeln. Wir wussten beide beim Start nur, dass wir sehr große Lust auf dieses vielfältige Neuland hatten und auch immer noch haben. Aber natürlich war es auch bei uns ein Risiko, weil niemand wissen konnte, wie sich a) unsere Reiseform auf jeden persönlich auswirkt und b) wie man sich jeweils weiter entwickelt. Wir sind überzeugt davon, dass es für ein Reisepaar (unabhängig des Beziehungsstatus) bezüglich so einer Reise nur ein Hopp oder Topp geben kann. Kein Mensch hält so viel Zeit auf engsten Raum mit einem Anderen aus, wenn es nicht sehr gut harmoniert.
Manchmal überlegen wir, ob wir uns eigentlich in irgendeiner Form im letzten Jahr schon verändert haben: Subjektiv ganz sicher nicht in einer grundlegenden Weise, wir sind die gleichen Typen geblieben, aber einige Ansichten haben sich verändert, Prioritäten haben sich verschoben. Das tolle an langen Fahrradreisen ist, dass es Horizonterweiterungen nicht nur im wörtlichen Sinne, sondern ganz sicher auch im Übertragenen, gibt. Wir haben aber auch das Gefühl, dass ein Jahr mit solch einer Fülle unser Gehirn ganz schön fordert, da meist wenig Zeit zum Verarbeiten bleibt. So blieben wir bewusst unserem Muster treu, nämlich nach 6 Monaten radeln wieder eine 2-3 wöchige Auszeit einzulegen. Tut Kopf und Körper einfach gut.
Dieses Mal war es dann nicht Hawaii, sondern Costa Rica mit Besuch aus der Heimat (Danielas Schwester und Stephans Mutter) als chill out Location. Bevor wir aber an unserer Lodge an der Karibikküste ankamen, war der Kontrast zu den USA sofort zu spüren. Im Taxi vom Flughafen ging es rasant bis angsteinflößend in das Zentrum der größten mittelamerikanischen Stadt San Jose. Nur wenige Meter neben dem Hotel hingen von harten Drogen zerstörte Gestalten herum, Menschenmassen schoben sich durch die Einkaufsstraßen und sehr starker Verkehr waren zum Glück nicht das, was uns die nächsten 2 Wochen erwartete. Im Gegenteil: Das sehr überschaubare, weil kleine, Örtchen Cahuita direkt am karibischen Meer war perfekt für unsere Ansprüche. Außer paar Bars/Restaurants, kleinem Supermarkt ist hier nicht viel. Dafür viel grün, überall, übergroß, allgegenwärtig und sehr reicher Tierwelt. Mit Temperaturen um die 30 Grad und generell sehr hoher Luftfeuchtigkeit wurde jede Schweißpore grundgereinigt, sämtlicher Wüstenstaub ist passe – garantiert.
In unsere Lodge kamen wir am ersten Morgen in den „Genuss“ von Brüllaffen, worüber wir zum Glück davor informiert waren. Den Weckjob beim Sonnenaufgang übernimmt hier anstatt der Hahn eben der Affe. Ohne das Wissen dass dieses Brüllen von nur recht kleinen schwarzen, durchaus putzigen, Affen kommt, hätte man Böses erwarten können. Das Brüllen ist ein lautes tiefes Grollen, was man ohne weiteres zu einem Dinosaurier aus Jurassic Park zuordnen könnte. Vielleicht haben die Brüllaffen auch als Synchronstimme zum verstorbenen Tyrannosaurus ausgeholfen? Wer weiß.
Wir dachten nach rund einer Woche dass wir schon viele Tiere gesehen hatten, aber eine Nachtwanderung im Regenwald toppte dann alles. Für nur einen Kilometer gingen wir über 1,5 Stunden mit Lampen und Guide ausgerüstet in den tiefschwarzen Wald. Alle paar Meter waren große Jagdspinnen, kunterbunte Frösche, Kugelameisen, harmlose und giftige Schlangen, Vogelspinnen, diverse Echsenarten und zig Insekten zu bestaunen. So geballt mit Leben haben wir noch nie einen Landstrich erlebt, hier gibt es mehr Tiere auf engsten Raum als in jedem Zoo. Die geballte Ladung von Moskitos ist hier aber natürlich auch inbegriffen, etwas verstochen kamen wir daher zurück. Auf jeder Hautstelle (auch unter Shirts), die nicht mit scharfem Insektenschutzmittel (danke an Fa. Brettschneider – www.brettschneider.de) eingesprüht war, fanden die Blutsauger ihren Weg.
Zum Glück ist tagsüber aber nichts von den Moskitos zu spüren gewesen, und so haben wir oft stundenlang das 29 Grad warme Meer an sehr schönen Stränden genießen können. Die Wellen sahen jeden Tag anders aus, die mitunter sehr starke Strömungen auch – trotz Planschbecken-Temperatur nur bedingt Badefreundlich.
Das einheimische Essen (vor allem Reis, Bohnen und Fleisch) war mal was Anderes als Nudeln und der USA Fastfood, aber nicht gerade sehr günstig. Neben den Einheimischen wohnen in Cahuita auch einige mitteleuropäische Auswanderer. Paradiesisch ist es hier auf den ersten Blick sicherlich, ein abwechslungsreiches Leben braucht man hier aber nicht zu suchen.
Bewusst blieben wir viele Tage stationär an einem Ort, also der total Kontrast zum sonstigen Reisen – und dies tat uns einfach nur gut. Langeweile kam nie auf, zu viel hatte man sich zu erzählen und zu verarbeiten; einfach auch mal paar Tage Nichtstun kann direkt angenehm sein. So tankten wir Kraft für das nächste Kontrastprogramm, an Heilig Abend landen wir in der südlichsten Stadt der Welt: Ushuaia auf Feuerland. Hier ist es gerade, trotz Hochsommer, kälter als im – eigentlich – winterlichen Deutschland. Sehr frische und ebenso windige Tage stehen uns bevor, das Abenteuer geht weiter, mit neuen Erfahrungen, Kulturen, Naturspektakeln, Auf- und Ab´s und vieles mehr – wir freuen uns drauf. See you next year!
Liebe Liegebummler, ein sehr schöner Bericht. Der Jahresrückblick ist fast philosophisch und gibt einen Einblick in die Faszination der Radreise. Toll gemacht – alles Gute für den weiteren Weg.
Liebe Daniela, lieber Stefan,
ich wünsche Euch ein wunderschönes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr 2016.
Und weiterhin ganz viel Glück auf Eurer Tour.
Grüße
Norbert (Nenana, Alaska)
Hey Stefan, hey Dani!
ich wünsch euch weiterhin alles gute und nen guten rutsch ins neue Jahr. Die Tour die Ihr hinter euch bringt, prägt fürs Leben! Da kann man seinen Enkeln ma n paar jute Gutennachtgeschichten erzählen. 😛
Haut rein…
Grüße aus Berlin
Michi