Liegebummler – Weltreise mit dem Liegerad

Neuseeland Südinsel – Finale an der Westküste

Für die anstehende Strecke an die Westküste kauften wir in Wanaka nochmal groß ein um nicht zu sehr auf die überteuerten Mini-Läden, wenn überhaupt existent, für die nächsten paar 100 km angewiesen zu sein. Großeinkaufen ist für uns mit dem Fahrrad so eine Sache: Da steht man mit einem Bärenhunger vor den prall gefüllten Regalen und kann nur der Vernunft nach einkaufen, weil die Transportkapazitäten nicht üppig genug sind. So besteht die Hauptenergiezufuhr aus Nudeln und Reis, sehr oft mit einer Soße aus einem Berg von Gemüse. Brot können wir hier leider nur selten als Brot bezeichnen, jedes weiche Baguette aus Frankreich hat mehr Konsistenz und ist nahrhafter – trotzdem futtern wir reichlich davon. Frühstück und Nudeln passt einfach (noch?) nicht zusammen.

Kurz nach Wanaka erwartete uns ein weiteres (See-) Highlight: Der Lake Hawea! Viele Kilometer strampelten wir sehr wellig dahin, mal mehr mal weniger am Seeufer – oft mit grandiosen Panorama auf die Alpen, die sich im See spiegelten. Am Ende des Sees campten wir am letzten Campingplatz mit warmer Dusche vor der Westküste. Der Haast Pass verdient eigentlich seinen Namen nicht, da er nicht mal 600m über dem Meer liegt. Er ist mit Abstand der niedrigste Pass über die Berge die gut über 2000m hoch sind, und wurde schon lange von den Maoris (Neuseelands „Ureinwohner“) benutzt, bevor ein Europäer als Namensvetter diente. Die Abfahrt für uns war rasant weil steil, danach ging es wellig über 50km im Tal entlang raus aus den Bergen ans Meer. Die Straße musste deshalb so wellig gebaut werden, weil an vielen Stellen das Flussbett das komplette Tal ausmacht, um die Wassermassen transportieren zu können – und das Tal ist nicht selten mehrere Kilometer breit. Unvorstellbare Mengen an Wasser müssen hier in den „Regenzeit“ fließen. Regen ist das, glaubten wir uns erinnern zu können, was aus dunklen Wolken runterfällt und alles Nass und Klamm macht. Und in der Tat, kurz vor Haast war es dann soweit – es fielen paar Tropfen, der Campingplatz war aber nicht mehr weit und die paar Tropfen kaum der Rede wert.

Am nächsten Morgen stahlblauer Himmel an einem Ort, wo zigmal mehr Regen im Jahr fällt als in Süddeutschland. Mehrfach überquerten wir imposant lange Brücken über die fast leeren Flussbetten, die sich hier aus praktisch jedem Tal gen Meer schlängeln. Über 11 Millionen Tonnen soll alleine der Haast-River pro Jahr (!) Schotter aus den Bergen in Meer spülen. Daher erklärt sich geologisch auch der mehr oder weniger breite und manchmal flache Küstenstreifen. Aber flach mögen die Neuseeländer nicht, also bauten sie die Straße ins Hinterland – besseres Panorama und so, kennen wir schon. Menschen leben hier fast keine, die Gegend ist bei der Menge an Niederschlag im Jahr wohl eher unattraktiv. Auf den 120km von Haast nach Fox Glacier sahen wir über fast 100km keine Abzweigung, keine Farm, nur ganz vereinzelte Hütten – ansonsten grün pur. Alles ist hier grün, selbst Steine neben der Straße sind alle von Moos überzogen. Die Straße wurde durch den – hier kalten – Regenwald geschlagen. Links und rechts eine grüne Mauer säumte unseren Weg. Hinter diesen Mauern leben sie: Die kleinen Monster namens Sandflies, eine etwas zu groß geratene Fruchtfliege die beißen kann, wie eine Pferdebremse und SAMS-Wunschflecken für einige Tage hinterlässt. Nicht weit weg von Haast hielten wir an einem Strand wo angeblich Delfine leben sollen. Und tatsächlich sahen wir nach wenigen Minuten einige Delfine sehr nah am Strand in den Wellen rumtollen. Ganz entspannt genießen konnten wir den Anblick aber leider nicht, weil die Sandflies hier zum Großangriff bliesen. In diesen Tagen waren keine fünf Minuten Rast mehr möglich, ohne dass diese Plagegeister anfingen uns aufzufressen.

Spät kamen wir in Fox an, gerade noch rechtzeitig um vom Zelt aus den Mount Cook (diesmal von der anderen Seite) im Sonnenuntergang zu sehen. Schon verrückt, da steht man fast auf Meereshöhe und der höchste Berg ist keine 15km Luftlinie entfernt. Fox Glacier und Franz Josef sind zwei kleine Dörfer, die alleine vom Tourismus (Gletscherflüge, Hotel etc.) leben und – aus unserer Sicht – entsprechend hässlich und überfüllt von Touristen sind. Wer die Alpen und deren Gletscher kennt den flashen diese Gletscher für sich gesehen nicht. Der Aletschgletscher im Wallis ist zum Beispiel deutlich fotogener. Was es hier aber so speziell macht, ist die Tatsache, dass das Meer nur wenige Kilometer von der Gletscherzunge entfernt ist – und dies obwohl es hier nicht wirklich kalt ist. Allein der extrem viele Niederschlag presst die Gletscher Richtung Tal.
Von Franz Josef weiter wurde es zum Glück wieder schnell einsam, die andauernden Hubschrauber für die Rundflüge nervten. Und da war es passiert: Wir mussten das erste Mal überhaupt in Neuseeland (!!!) unsere Regenjacken rauskramen. Nach einigen kleinen Schauerzellen bis Mittag war es das aber auch wieder. Komplett Neuseeland ohne einen wirklichen Regentag zu beradeln ist fast schon unverschämt genial.
In Hokitika gönnten wir uns einen Ruhetag, die ehemals größte Stadt Neuseelands hat heute nur noch paar 1000 Einwohner – der Goldrausch damals hat die Stadt förmlich explodieren lassen. Heute ist es vor allem der grünlich schimmernde Jade-Stein der vertickt wird. Der Campingplatz war sehr luxuriös und nicht mal teuer – der Wellnessbereich mit Whirlpool tat unglaublich gut.
Nach der Regeneration begann der Endspurt vom Meer, Westküste, an das Meer an der Ostküste. Dazwischen die Alpen mit dem Arthurs und Porters Pass. Wir fuhren noch einen Umweg über Greymouth zum letzten Großeinkauf für die Bergetappe und statteten dem Lake Brunner (ta ta) einen Besuch ab. Wir hatten sauber Respekt vor dem Anstieg zum Arthurs Pass, weil er für eine Überlandstraße, die im Winter eisgefährdet ist, sehr steil ist. Mit über 16% sollte es einige Kilometer hochgehen, dass Höhenprofil beeindruckte uns. Wir ließen es langsam angehen und als wir vor der steilen Passage standen gab es kein Zurück mehr, hinter uns zog der angesagte Regen auf. Das kannten wir ja schon von der Rainbow Road. Einige Kilometer schoben wir bei über 16% Steigung die schweren Räder mit zwei Tagen Proviant hoch. Selbst Schieben kann über längere Zeit recht anstrengend werden. Zum Glück fuhren nur wenige Autos hier, obwohl es die direkte Verbindung von Christchurch an die Westküste ist. Die Straße windete sich das sehr enge Tal hoch und trotzdem fuhren hier die riesen Trucks, im ersten Gang – Berg hoch wie runter. Erleichtert erreichten wir die Passhöhe bei einsetzendem Nieselregen, zogen schnell was über und rasten dem Regen weg.
Der Plan ging auch schnell auf und wir erreichten den geplanten Platz zum Übernachten im Trockenen. Wir waren über die Wetterscheide drüber und die Vorstellung, hier garantiert Wasser zum Kochen und Trinken zu finden (wie an der Westküste an jeder Ecke) ging in die Hose. Das über 700 Meter breite Flussbett war leer, nicht mal eine Pfütze war zu finden. Ein Kiwi in seinem Camper sah uns auf dem trockenen Flussbett rumlaufen und rief uns zu, dass wir gerne Wasser von ihm haben können. An entspanntes Kochen mit unserem bewährten Benzinkocher (Primus Omnifuel) war nicht zu denken, da die Sandflies so richtig übel gelaunt waren. An jedem von uns saßen sicher 30-50 Tiere und suchten eine Stelle, wo sie unser Blut absaugen konnten. Wir waren sehr froh über unsere Netzhüte (Danke an Fa. Brettschneider – www.brettschneider.de) womit wir soweit unserer Ruhe hatten. Soweit aber auch nur. Wenig später kamen aus der Richtung unseres Zeltes komische Geräusche. Vier Keas machten sich über unsere Zeltschnüre und Heringe her. Keas sind die hier heimischen Bergpapageien, die als sehr intelligent gelten – und leider auch sehr neugierig und mit Kunststoff-Fetisch. Wir dachten uns kurz an Weiterfahren, nach über 1200hm an dem Tag reichte es uns aber. Als beim Essen einige Mäuse zwischen unseren Füßen durchhuschten hätten wir aber ahnen können, was uns in der Nacht erwartete.
Nachdem alle Sandflies im Innenzelt vernichtet wurden war das Unentspannte erstmal die Angst um unser Zelt und die Räder wegen den Keas. Aber es war noch ruhig. Fix und fertig wie wir waren schliefen wir auch bald ein, um bald wieder aufzuschrecken, weil es im Vorzelt raschelte. Stirnlampe an: Eine Maus schaute aus Danielas Fahrrad Schuh und ein Kea schielte unter der Vorzeltplane zu uns rüber. Ab dem Zeitpunkte war es dann vorbei: Die Ohren wurden automatisch immer wachsamer und getrimmt darauf, irgendwas zu hören, was sich ungesund für unsere Ausrüstung anhörte. Mehrmals erkundeten die Mäuse ihren neuen Spielplatz namens Zelt, die Keas blieben aber zum Glück fern.
Der nächste Tag sollte unerwartet lang werden. Zwischen Arthurs und Porters Pass liegt eine lange Strecke, die erstmal wie eine Hochebene aussieht. Pfeiffendeckel! Nach über sehr welligen 1000 Höhenmetern erreichten wir unseren letzten Pass unserer Fahrradreise in Neuseeland. Davor ging es dafür in wunderschöner Berglandschaft dahin. Die letzte Abfahrt genossen wir mit angenehmen Rückenwind, wohlverdient sagten wir uns! Genau so wohl verdien war der nächste und letzte Fahrtag nach Christchurch: Mit sicher 30-40 km/h blies der Wind uns nach Christchurch runter. Was ein Genuss, wie simple doch alles sein kann. In drei Tagen von einem Meer zum anderen Meer zu fahren, das geht wohl nur hier in Neuseeland.
Einige Tage verbrachten wir mit Nichtstun in Christchurch, Kartons für den Weiterflug nach Melbourne besorgen und einem weiterem BayWa bzw. Turners & Growers Besuch. Das Zentrum von Christchurch ist nach über 4 Jahren nach dem schweren Erdbeben immer noch stark beschädigt, viele (Hoch-) Häuser stehen leer – hat ein bisschen was von einer Geisterstadt. Lustig und interessant dagegen war eine größere Maori-Gruppe auf unserem Campingplatz, die mit ihrem Gesang und Tanz den ganzen Platz beschallten. In Christchurch findet die Tage ein Maori-Wettbewerb statt.
Am 9. März fliegen wir nach Melbourne. Neuseeland liegt hinter uns mit über 3300km und 34000 Höhenmeter und noch viel mehr genialen Erlebnissen, von vorne bis hinten top Wetter, freundliche Menschen und dem Gefühl genau das Richtige zu tun, zu zweit. Uns das „Richtige“ geht weiter – bis bald aus Australien!

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