Liegebummler – Weltreise mit dem Liegerad

USA – Utah´s Berge und Wüsten via Rad


Nach dem Wüstenstädtchen Rock Springs in Wyoming war für uns das nächste Etappenziel Utah nicht mehr weit. Der Weg direkt gen Süden hatte es aber in sich, Utah muss man sich wohl verdienen dachten wir uns. Wir folgten dem kleinen und sehr schwach befahrenen Highway 191 via Flaming George und über die Bergkette „Uinta Mountains“ (mit Bergen über 4000 m) nach Vernal in Utah. So wie Utah anfing blieb es auch für uns: Überaus große Kontraste der Landschaft mit heftigen und langen Steigungen, hohen Pässen und oft toller Einsamkeit. Bisher sind wir in den 14 Fahrtagen in Utah gute 1000 km mit fast 10.000 Höhenmetern gefahren – und damit fast schon neuseeländische Verhältnisse bzgl. Höhenmeter pro 100 km.
Eine Herausforderung war teilweise wieder mal das Wasser, so karrten wir zeitweise 10 Liter Wasser über die Pässe drüber um flexibel zu sein. Flexibel heißt in diesem Zusammenhang jederzeit und überall den Tag beenden zu können, wenn es einem reicht. Vor allem unser kleiner Ausflug nach Colorado über den Mini-Highway 139 und den Douglas-Pass (2520m) war gut sportlich: Über 100 km kein Wasser über 1000 Höhenmeter mit Steigungen bis 10% verlangte von unseren Muskeln alles. Ortschaften gab es auf unserer Route in Utah generell nur noch spärlich, so wie eben Utah im Allgemeinen – abseits der Hauptstadt Salt Lake City – nur sehr dünn besiedelt ist. Verwundert hat uns das nicht: Es wechseln sich hier hohe Berge mit den Wüsten ab, dazwischen vereinzelt Flüsse wo etwas mehr Leben möglich ist. Aber genau dieser Kontrast der – erst ab ca. 2000m ü.M. bewaldeten – Berge und den staubtrockenen Wüsten machte für uns den großen Reiz aus. Dazu kommt noch die abgefahrene Geologie des Colorado Plateaus und den weltberühmten Gesteinsformen und National Parks.
Auf dem Weg dahin gab es teilweise keine andere Straße weit und breit als den Interstate-Highway. Mit etwas Bammel fuhren wir auf diese Autobahn und waren überrascht: Nur alle paar Minuten ein Fahrzeug und für uns einen 4m breiten und sehr sauberen Seitenstreifen! Besser als viele andere „normale“ Highways dachten wir uns. Auch scheint es hier nicht verboten zu sein auf Autobahnen Fahrrad zu fahren, ein uns überholender Scheriff interessierte sich zumindest nicht für uns. Nach der Erfahrung fuhren wir noch zwei weitere Male für ein Dutzend Kilometer auf den Interstate um abzukürzen.
Auf dem Weg nach Moab ging es entlang des Colorado Rivers durch die ersten Canyons, mit rotem Fels, teilweise abgefahrenen Felsformationen und grünem Wasser mit blauem Himmel garniert – fotogener geht fast nicht. Geflasht von tollen Eindrücken, aber auch ziemlich KO von den letzten Tagen rollten wir in Moab ein und erreichten hier die nächste ultrahässliche Touristenstadt wegen des nahen Arches-Nationalparkes. Dafür konnten wir bei Gerrish, einem Warmshower Host den Abend gemütlich im ruhigen Garten mit einem Bierchen ausklingen lassen. Eigentlich wäre uns nach einem Ruhetag gewesen, aber der Wetterbericht war eindeutig: Entweder fahren wir am Folgetag in den Arches rein oder der angekündigte Herbststurm verdirbt uns die Geschichte. So starteten früh am nächsten Tag und fuhren in den durchaus hügeligen Arches Nationalpark hinein, so wie viele andere Touristen in ihren Autos auch. Für uns war der Arches eines der Highlights in Utah und toppte Australiens rote Felsen locker. Über 40 km pedalierten wir durch die unterschiedlichsten und einmaligen Felsformationen und wollten am Ende des Parks (Sackgasse) auf dem Campingplatz übernachten. Die Park Rangerin machte deutlich dass hier kein Platz mehr für uns sei, und wir auch niemand um ein Plätzchen für unser Zelt fragen dürften (dies sei illegal – wtf!?). Etwas angepisst füllten wir unseren Wassersack auf, wo wir Francisco aus Spanien trafen – seit über 2 Jahren mit dem Fahrrad von Patagonien aus unterwegs. Er gab uns einen guten Tipp für seinen letzten „Zeltplatz“ im Arches, und so schliefen wir im selben trockenen Creek bei sternenklarer Nacht und absoluter Stille. Zum Sonnenaufgang liefen wir zum Aussichtspunkt für den berühmtesten – weil größten – Arches (Steinbogen) und genossen es hier zu sein.
Zurück nach Moab waren von vielen Fotostopps geprägt und prompt trafen wir Fransicso am Supermarkt (DER Treffpunkt schlechthin für Tourenfahrer) wieder – mit dem gleichen Ziel: Einem Warmshowers Kontakt. Wir haben nun schon einige Warmshowers kennengelernt, aber hier wurde unsere Bandbreite an Menschen nochmals deutlich erweitert. Eine etwas – eher noch verharmlosend ausgedrückt – eigenartige und sehr bestimmende Frau bot ihr Haus für Tourenfahrer an. Im Garten überall „Kunstwerke“ die in einem Grusel-Film als Kulisse hätten dienen können, innen alles bunt und flippig eingerichtet. Wir ließen uns davon nicht weiter stören, so hatten wir hier unsere sichere und trockene Basis für den angekündigten Herbststurm (der dann mit Starkwind und Regen auch kam). Skurril wurde unser letzter Tag im Haus, als der Toiletteninhalt aus der Badewanne rauskam und wir der Besitzerin tatkräftig halfen, ihr – selbstverlegtes – Abwasserrohr wieder frei zu bekommen. Sowas erlebt man auch nicht alle Tage, in einem fremden Haus mit einer Fremden in der Scheisse wühlen. Wir durften danach die Waschmaschine benutzen, aber es ging gerade so weiter: Der Abwasserschlauch steckte nicht mehr im Abflussrohr und wir merkten dies erst nach paar Minuten, nachdem das Wasser schon in der Küche stand. Bad Vibrations! Am nächsten Tag brachen wir wieder auf …
Das Spielchen von den tiefen Wüsten via Pass auf die Berge wiederholte sich auf unserem Weg dann ein weiteres Mal, diesmal aber mit Maximalausschlägen. Über die – wiederum sehr einsamen und praktisch nicht erschlossenen – Boulder Mountains strampelten wir bis auf 2926 m ü.M. hinauf, der höchste Punkt unserer bisherigen Reise. Die atemberaubende Aussicht bei noch gutem Wetter aber empfindlich kühlen Temperaturen wird uns für immer in Erinnerung bleiben. Ebenso dass wir mittlerweile mit der Höhe bzgl. Atmung keinerlei Probleme haben. Die danach folgende 1000 hm Abfahrt auf dem Highway 12 war saukalt, das erste Mal überhaupt zogen wir unsere Handschuhe an. Der Winter klopfte Ende Oktober immer mehr an, erst recht in diesen Höhen. Dies war auch dann unsere Motivation möglichst schnell von diesen Höhen runter zu kommen, da bei der nächsten Kaltfront hier wohl Schnee fällt/liegt. Ein letztes Mal ging es beim Bryce Canyon auf über 2400m ü.M. wo – analog Arches – Geld praktisch gedruckt wird; die Massenabfertigung machte bei uns aber schon Winterurlaub. Viel hatte schon geschlossen weil die Saison vorüber ist. Aufgrund der Wettervorhersage (Kaltfront) blieben wir nur eine Nacht im Bryce, die dank der Höhe auch gut im Frostbereich war – natürlich nur außerhalb unseres Zeltes und warmen Dauenschlafsäcken. Der Sonnenuntergang und /-Aufgang waren wieder mal großes Kino, erst recht mit diesen Felsformationen.
Bei der Abfahrt vom Bryce trafen wir auf zwei ältere Damen (55 bis 60 Jahre alt mit Blog: http://travelsbytrike.blogspot.com/) auf Liegerad-Dreirädern, voll bepackt, guter Laune und auf dem Weg nach Florida – was noch über 4000 km sind. Yeah! So muss alt sein/werden aussehen.
Aktuell sitzen wir in einem Motel und schauen dem kalten Regen draußen zu, es herbstelt immer mehr hier. Aber es sind nur noch paar Fahrtage bis zur warmen Mojave-Wüste, genau das richtige für uns Schönwetterfahrer.

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